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Die WEG-Reform – Ein Experteninterview mit Notar Dr. Stephan Schneider

30 Jun

Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) stammt ursprünglich aus dem Jahre 1951 und löste das längst veraltete Stockwerkseigentum ab. Durch die Schaffung des Gesetzes sollte der Wohnungsbau unterstützt und der Erwerb eines Eigenheims erleichtert werden.

Die Notwendigkeit einer weiteren umfassenden Reform ergab sich durch veränderte Faktoren, wie beispielsweise die stetige Entwicklung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oder die Veränderung von technischen Möglichkeiten. Um mit den Entwicklungen Schritt zu halten, soll nun die neue WEG-Reform Abhilfe schaffen und das Wohnungseigentumsgesetz angepasst werden.

Die neue WEG-Novelle trat am 1.12.2020 in Kraft und beinhaltet eine Vielzahl an Neuregelungen – insbesondere für die Wohnungseigentümer und WEG-Verwalter wird sich einiges ändern. In einem Experteninterview mit dem Hamburgischen Notar und Experte für WEG-Recht Herrn Dr. Stephan Schneider besprechen wir die wichtigsten Regelungen rund um die Erneuerung des WEG-Gesetzes.

Frage: Welches Ziel verfolgt der Gesetzgeber mit der WEG-Novelle?

Dr. Stephan Schneider: Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Reform des Wohnungseigentumsrechts – übrigens die umfangreichste Reform seit 1951, dem Jahr der Entstehung des Wohnungseigentumsgesetzes – zugleich mehrere Ziele: Die Rolle der rechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft soll klar konzipiert und ihre Teilnahme am Rechtsverkehr vereinfacht werden. Die Verwaltungsrechte von Wohnungseigentümern werden gestärkt. Die Beschlussfassung in Wohnungseigentümergemeinschaften wird erleichtert, insb. im Hinblick auf bauliche Veränderungen. Dadurch sollen Modernisierungen auch in schwerfälligen Gemeinschaften möglich werden. Das Recht des Wohnungseigentums und das Mietrecht werden an entscheidenden Stellen harmonisiert. Zudem kann nun Sondereigentum an Stellplätzen und Außenflächen begründet werden.

Wie stellt sich die Rolle der Wohnungseigentümergemeinschaft nun dar

Der Gesetzgeber vollzieht teilweise das nach, was in der Rechtsprechung der Gerichte bereits vorbereitet wurde, geht aber auch darüber hinaus: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer („WEG“) ist nunmehr rechtsfähig, kann also eigene Rechte und Pflichten erwerben. Die WEG kann auch Partei eines Prozesses sein, was beispielsweise dann relevant wird, wenn es zu Rechtsstreitigkeiten innerhalb der WEG kommt – die Klage ist dann nicht mehr, wie zuvor, gegen alle Miteigentümer zu richten, sondern gegen die WEG selbst.

Der Verwalter vertritt die WEG im Rechtsverkehr, fast wie ein Geschäftsführer einer GmbH. Er kann – mit Ausnahme von Grundstücks- / Darlehensgeschäften – nach außen hin wirksam Verträge für die WEG abschließen. Im Innenverhältnis benötigt der Verwalter jedoch weiterhin die Zustimmung der Miteigentümer für alle Maßnahmen, die nicht nur untergeordnete Bedeutung haben; ohne diese Zustimmung handelt er pflichtwidrig. Es empfiehlt sich daher, bereits in der Teilungserklärung oder im Verwaltervertrag bestimmte Befugnisse des Verwalters zu definieren, etwa zum Abschluss von Versicherungs-, Wartungs- und Versorgungsverträgen.

Gehen mit dieser Stärkung der Rechtsstellung des Verwalters auch erweiterte Kontrollbefugnisse einher?

Ja, die Rechte der Wohnungseigentümer werden gestärkt. So können Verwalter nach neuem Recht beispielsweise auch ohne wichtigen Grund jederzeit abberufen werden; der Verwaltervertrag endet dann ebenfalls sechs Monate später, selbst wenn er eine längere Laufzeit hatte.

Zudem können Wohnungseigentümer bei größeren Gemeinschaften verlangen, dass der Verwalter eine Zertifizierung nachweist. Es ist gut möglich, dass sich eine derartige Zertifizierung zum Marktstandard entwickelt und als selbstverständlich vorausgesetzt wird.

Schließlich werden die Verwaltungsrechte der Wohnungseigentümer erweitert, indem das Recht auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen im Gesetz festgeschrieben und ein jährlicher Vermögensbericht des Verwalters eingeführt wird, der über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft Auskunft gibt.

Was verändert sich bei WEG-Versammlungen?

Die WEG-Versammlung ist künftig stets beschlussfähig, unabhängig von der Teilnehmerzahl. Im Gegenzug wird die Ladungsfrist verlängert. Der Verwalter kann einzelnen Wohnungseigentümern eine Online-Teilnahme ermöglichen. Darüber hinaus genügt nun Textform (E-Mail!) für Einberufung, Vollmachten und bestimmte Beschlüsse.

Ich gehe davon aus, dass WEG-Versammlungen dadurch, und auch durch die Erleichterung von baulichen Maßnahmen, deutlich dynamisiert werden. Jeder Wohnungseigentümer sollte die Einladungen zu Versammlungen gründlich lesen, und daraufhin eine Teilnahme an der Versammlung prüfen – damit nicht ohne seine Mitwirkung wichtige Beschlüsse getroffen werden, was nun leichter möglich ist. Da Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden können, ist es denkbar, dass – bei geringer Präsenz – eine kleine Minderheit der insgesamt vorhandenen Wohnungseigentümer Beschlüsse fasst, die aber für alle gelten.

Die formellen Erleichterungen schaffen indes auch neue Rechtsunsicherheit; da hätte der Gesetzgeber aus meiner Sicht einen Schritt weiter gehen können, so werden viele Fragen durch die Gerichte zu klären sein. Es ist beispielsweise leicht vorstellbar, dass WEG-Beschlüsse angefochten werden, z.B. unter Berufung auf Fehler bei der Online-Teilnahme, oder Ladungsfehler. Insb. der Verzicht auf das Schriftformerfordernis bei Ladungen, Vollmachten und Beschlussfassungen (E-Mail genügt) wird wahrscheinlich zahlreiche Fragen aufwerfen. Auch insoweit kann es also sinnvoll sein, in der Teilungserklärung vorsorglich ergänzende Regelungen zu treffen.

Wie wird das Ziel, bauliche Veränderungen zu erleichtern, erreicht?

Der Gesetzgeber hat bestimmte bauliche Maßnahmen privilegiert. Dazu zählen Maßnahmen zur Errichtung von Lademöglichkeiten für elektrisch betriebene Fahrzeuge, zur Barrierereduzierung, zum Einbruchsschutz und zum Glasfaseranschluss. Jeder einzelne Wohnungseigentümer hat nun grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass solche Maßnahmen auf seine Kosten durchgeführt werden. Er darf die neuen Einrichtungen dann allein nutzen. Die Durchführung erfolgt allerdings nicht in Eigenregie; vielmehr entscheidet die WEG über die Art der Durchführung der Maßnahmen.

Aber auch sonstige bauliche Maßnahmen, also solche, die nicht zu den privilegierten Maßnahmen zählen, können leichter auf den Weg gebracht werden. Ein Beschluss darüber ist bereits mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (50 plus 1) möglich, sofern kein Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt wird. Wohnungseigentümer, die nicht zustimmen, tragen die Kosten aber nur, wenn der Beschluss mit qualifizierter Mehrheit (zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und Hälfte aller Miteigentumsanteile) zustande gekommen ist oder sich die Maßnahmen innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.

Haben auch Mieter Anspruch auf bauliche Veränderungen?

Bei vermieteten Eigentumswohnungen kann der Mieter verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge oder dem Einbruchsschutz dienen. Die Kosten hierfür trägt der Mieter. Dieser Duldungsanspruch des Mieters besteht bei Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum nur, wenn dem Vermieter als Wohnungseigentümer ein entsprechender Anspruch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft zusteht.

Darüber hinaus werden unnötige Friktionen zwischen Wohnungseigentums- und Mietrecht abgebaut, indem die Betriebskosten nunmehr nach dem WEG-Kostenschlüssel (also z.B. Miteigentumsanteilen) auf den Mieter umgelegt werden können. Die Umlage auf den Mieter muss also nicht mehr zwingend auf Basis der Wohnfläche erfolgen, sofern der WEG-Kostenschlüssel nicht billigem Ermessen widerspricht. Das erleichtert die Abrechnung.

Kommen wir zu einem ganz anderen, eher technischem Thema: Sondereigentum kann nun nicht mehr nur an Räumen, sondern auch an Außenflächen begründet werden. Was bedeutet das praktisch?

Es gab auch zuvor schon die Möglichkeit, sog. Sondernutzungsrechte für einzelne Wohnungseigentümer an Außenflächen, z.B. einem Gartenteil oder einem Außenstellplatz, zu begründen. Ein Sondernutzungsrecht ist ein exklusives Nutzungsrecht, das ohne Zustimmung des Berechtigten diesem nicht entzogen werden kann. Das neue Recht erlaubt nun, die Außenflächen zum Teil des Sondereigentums zu machen, allerdings grundsätzlich nur als unselbstständiger Annex zum Sondereigentum an der Wohnung. Insofern sind die praktischen Auswirkungen für die Wohnungseigentümer überschaubar.

Praktisch deutlich relevanter ist, dass nun selbstständiges Sondereigentum an Stellplätzen aller Art begründet werden kann. Das war bislang nur für Garagenstellplätze möglich, gilt nun aber auch für Außenstellplätze, Duplexparker etc. Diese Stellplätze werden auf eigenen Grundbuchblättern gebucht, und können somit selbstständig veräußert und belastet werden.

Sie sagten, es bleibe möglich, an Außenflächen Sondernutzungsrechte zu begründen und diese nicht zum Teil des Sondereigentums zu machen. Welche Vor- und Nachteile bieten die Varianten denn?

Inhaltlich unterscheiden sich Sondereigentum und Sondernutzungsrechte für den Wohnungseigentümer wie gesagt im Alltag kaum: beide bieten exklusive Nutzungsrechte. Die Unterschiede sind eher technischer Natur.

Sondernutzungsrechte bieten nach wie vor viele Vorteile: hohe Flexibilität, geringe Formanforderungen, leichte Übertragbarkeit unter den Wohnungseigentümern, zeitlich gestreckte Begründung beim Abverkauf von mehreren Wohnungen möglich. Spiegelbildlich bergen Sie das Risiko von Grenzstreitigkeiten, und es verbleiben rechtliche Risiken (z.B. gutgläubiger Erwerb nicht gesichert).

Die Begründung von Sondereigentum ist aufwändiger, da sie vermaßte Pläne erfordert, die mit der Abgeschlossenheitsbescheinigung zu versehen und der Teilungserklärung beizufügen sind.

In beiden Fällen empfiehlt es sich, in der Teilungserklärung die Befugnisse der Berechtigten präzise zu beschreiben. Ich gehe davon aus, dass Sondernutzungsrechte insbesondere bei Mehrfamilienhäusern ein wichtiges Gestaltungsinstrument bleiben werden. Bei kleineren Einheiten, z.B. Doppelhäusern, dürfte der – auch emotionale – Aspekt, am eigenen Garten „echtes“ Sondereigentum begründen zu können, eine größere Rolle spielen.

Fazit und Ausblick

Die neue WEG-Reform bringt wesentliche Änderungen mit sich, die den Alltag des WEG-Verwalters betreffen. Ferner wird die Rolle der Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Ausdehnung von Rechten neu definiert. Neben der Erweiterung der Sondereigentumsfähigkeit wird eine Erleichterung baulicher Maßnahmen durch die Reform ermöglicht.

Die Zukunft wird zeigen, inwieweit sich die neuen Regelungen in der Praxis bewähren. Feststeht, dass sich WEG-Verwalter und die Eigentümergemeinschaft durch die Vergabe neuer Kompetenzen auf eine veränderte Arbeitsweise einstellen müssen. Es bleibt abzuwarten, ob dem Modernisierungsstau entgegengewirkt werden kann oder ob die Erleichterungen baulicher Veränderungen auf Konfliktpotenzial stoßen. Wir sind gespannt und hoffen, dass die Ziele der neuen Reform bestmöglich erreicht werden.

Informationen zu weiteren immobilienspezifischen Themen finden Sie hier.

An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei Herrn Dr. Schneider für den aufschlussreichen Expertenbeitrag zur WEG-Reform bedanken!

Notar Dr. Schneider zur WEG-Reform
Herr Dr. Stephan Schneider – Notare an der Palmaille (Fotografin: Sinje Hasheider)

Herr Dr. Schneider ist Notar in Hamburg.

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